Unendlich-Dimensionale Analysis und Geometrie
Prof. Dr. Helge Glöckner
"Unendlich-Dimensionale Liegruppen"
Die Symmetrien geometrischer oder physikalischer Objekte lassen sich häufig durch endlich viele reelle Parameter beschreiben; z.B. kann man die Drehungen der Ebene um einen festen Punkt durch den Drehwinkel parametrisieren. Mitunter reichen jedoch endlich viele Parameter nicht aus, und man benötigt unendlich viele reelle Parameter bzw. einen Parameter in einem unendlich-dimensionalen (topologischen) Vektorraum. In diesem Fall spricht man von einer unendlich-dimensionalen Liegruppe.
Zum Beispiel bilden die Diffeomorphismen einer kompakten glatten Mannigfaltigkeit K eine unendlich-dimensionale Liegruppe Diff(K). Ist K ein dreidimensionaler Torus, so begegnet man Diff(K) sehr natürlich in der Strömungsmechanik, denn unter periodischen Randbedigungen lässt sich die Bewegung der Teilchen einer Flüssigkeit durch eine Kurve in Diff(K) beschreiben. Weitere Beispiele sind Abbildungsgruppen wie C(K,G) (wobei G eine gegebene Liegruppe ist), Gruppen von Operatoren (z.B. die unitäre Gruppe eines Hilbertraums) und sogenannte direkte Limesgruppen, d.h. Vereinigungen aufsteigender Folgen G_1 < G_2 < ... endlich-dimensionaler Liegruppen.
Um Symmetrien unendlich ausgedehnter Gebiete behandeln zu können, muss man entweder Wachstumsbedingungen auferlegen oder verlangen, dass jede Symmetrie nur einen beschränkten Bereich bewegt. Beide Zugänge werden in der Arbeitsgruppe (auch im Rahmen von DFG-Projekten) verfolgt. Der erste führt auf sogenannte gewichtete Diffeomorphismengruppen (und gewichtete Abbildungsgruppen). Der zweite führt auf aufsteigende Vereinigungen unendlich-dimensionaler Liegruppen. Die Untersuchung solcher aufsteigenden Vereinigungen ist ein besonderes Spezialgebiet der Arbeitsgruppe. In letzter Zeit wurden auch Ergebnisse über Liegruppen erzielt, die solch eine Vereinigung als dichte Teilmenge besitzen. Von Interesse sind globale Aspekte (z.B. die Berechnung der Homotopiegruppen von G), Differenzierbarkeitsfragen sowie die Existenz von Lösungen zu relevanten Differentialgleichungen auf G.
Jenseits des Reellen und Komplexen nutzt die Unendlich-Dimensionale Analysis z.B. bei der Konstruktion invarianter Mannigfaltigkeiten um Fixpunkte von Zeit-diskreten dynamischen Systemen über ultrametrischen Körpern (wie den p-adischen Zahlen). Mit deren Hilfe können mitunter klassische Ergebnisse der p-adischen Lietheorie auf den Fall von Liegruppen über lokalen Körpern positiver Charakteristik übertragen werden.
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Prof. Dr. Helge Glöckner studierte Mathematik und Physik in Darmstadt und London. Nach wissenschaftlicher Tätigkeit in Erlangen und Darmstadt erfolgte dort 1999 die Promotion in Mathematik. Als Post-Doktorand war Herr Glöckner in Göttingen und Baton Rouge tätig sowie an der TU Darmstadt, wo er sich 2004 habilitierte. Im April 2007 trat er ein Heisenbergstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft an und im Oktober 2007 eine Heisenberg-Professur am Institut für Mathematik der Universität Paderborn, die 2012 in eine reguläre Professur überging.