Wei­er­straß-Vor­le­sung 2022: In­ter­view zur For­schung von Prof. Dr. Pe­ter Schol­ze

Am Freitag, 24. Juni, ist Fields-Medaillenträger Prof. Dr. Peter Scholze als Festredner der diesjährigen Weierstraß-Vorlesung zu Gast an der Universität Paderborn. Der Mathematiker gilt als Genie. Mit was er sich in seiner Forschung beschäftigt, erläutert UPB-Prof. Dr. Fabian Januszewski.

Der Schwerpunkt von Prof. Scholze ist die arithmetisch-algebraische Geometrie – dahinter versteckt sich die Zahlentheorie, kombiniert mit Mitteln der algebraischen Geometrie. Was kann man sich darunter vorstellen?

Januszewski: „Die algebraische Geometrie behandelt die Geometrie von Polynomgleichungen in mehreren Veränderlichen. Üblicherweise werden Lösungen in einem algebraisch abgeschlossenen Körper betrachtet. Die Zahlentheorie – also die Arithmetik – wiederum beschäftigt sich u. a. mit Lösungen derartiger Gleichungen in den ganzen und den rationalen Zahlen. Die arithmetische Geometrie vereinigt diese Standpunkte, indem geometrische Aspekte von Polynomgleichungen in mehreren Veränderlichen studiert werden, deren Koeffizienten durch ganze oder rationale Zahlen gegeben sind.

Konkret stellt man sich beispielsweise in der arithmetischen Geometrie die Menge der Primzahlen als Punkte auf einer „arithmetischen“ Geraden vor. Auf diese Weise erhalten wir eine geometrische Interpretation der ganzen Zahlen und Primzahlen in einem einzigen geometrischen Objekt. Es ist bemerkenswert und alles andere als offensichtlich, dass sich hieraus tatsächlich eine sinnvolle Theorie ergibt.

So eine ganzzahlige Polynomgleichung definiert dann nicht nur ein einziges geometrisches Objekt, sondern eine ganze Familie von geometrischen Objekten – für jede Primzahl eines. Auf diese Weise werden in der arithmetischen Geometrie zahlentheoretische Objekte wie Primzahlen und geometrische Objekte aus der algebraischen Geometrie in einer sehr anspruchsvollen Theorie vereinigt.“

Dank seiner Arbeiten gelang die Lösung mehrerer bedeutender und lange als unlösbar geltender Probleme. Welche sind das?

Januszewski: „Zunächst ist festzuhalten, dass Peter Scholzes Beiträge in erster Linie konzeptioneller Natur sind. Seine Arbeiten zeichnen sich einerseits durch große Allgemeinheit aus, andererseits durch eine Vielzahl konkreter Anwendungen seiner allgemeinen Standpunkte.

Peter Scholze wurde bekannt als Schöpfer der Theorie der sogenannten perfektoiden Räume. Diese schaffen – stark vereinfacht – eine Brücke zwischen den Geometrien über verschiedenen „p-adischen“ Zahlbereichen. Konkret erlaubte ihm diese Theorie, in seiner Dissertationsschrift Spezialfälle der Monodromie-Vermutung (genauer der Weight-Monodromy Conjecture) des Mathematikers Pierre Deligne zu beweisen. Diese Vermutung ist deshalb von Bedeutung, weil sie es zulässt, geometrische Information (Monodromie) in arithmetische Information zu übersetzen. Weiterhin wandte Peter Scholze perfektoide Räume auf Probleme im Langlands-Programm an, das aus einem Netz von Vermutungen besteht, das die Zahlentheorie, arithmetische Geometrie und die Darstellungstheorie miteinander verbindet.

Zusammen mit dem Wissenschaftler Bhargav Bhatt hat Scholze die sogenannte prismatische Kohomologie eingeführt, welche ebenfalls eine vereinheitlichende Rolle spielt. Diese Theorie ermöglicht es, eine Brücke zwischen verschiedenen p-adischen Kohomologie-Theorien zu schlagen, was ein lange ungelöstes Problem war.

Gemeinsam mit dem Mathematiker Dustin Clausen hat Peter Scholze die Grundsteine der „verdichteten Mathematik“ gelegt, welche als ein neues logisches Fundament für Algebra, Zahlentheorie und Topologie dienen kann, da sie gewisse Inkompatibilitäten des klassischen Zugangs auflöst.“

Seit 2018 ist Scholze Träger der Fields-Medaille. Für was wurde er ausgezeichnet?

Januszewski: „Peter Scholze wurde für die Art und Weise ausgezeichnet, wie er arithmetische algebraische Geometrie über p-adische Körper transformiert hat. Hierzu ist insbesondere seine Theorie der perfektoiden Räume mit ihren Anwendungen zu verstehen.“

Die Universität Paderborn konnte Scholze als Festredner für die diesjährige Weierstraß-Vorlesung gewinnen. In seinem Vortrag spricht er über analytische Geometrie. Was sind seine wichtigsten Arbeiten auf dem Gebiet und warum?

Januszewski: „Zu seinen wesentlichen Beiträgen gehören zweifellos die Theorie der perfektoiden Räume mit ihren vielfältigen Anwendungen sowie seine Arbeiten zur ganzzahligen p-adischen Hodge-Theorie als auch seine neueren Arbeiten zu verdichteten Mengen. Perfektoide Räume haben bereits ein Gebiet revolutioniert und inwieweit sich kondensierte Mengen langfristig etablieren werden, wird sich zeigen. Peter Scholze verfolgt zweifellos eine langfristige Perspektive und wir dürfen gespannt sein, wohin die Reise in Zukunft führt. Das trifft insbesondere auf seine Weierstraß-Vorlesung zu.“

Weitere Informationen zur Weierstraß-Vorlesung gibt es hier

 

Foto (Volker Lannert/Uni Bonn): Prof. Dr. Peter Scholze.

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